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Interviews

«Mitte Jahr kehrte Vernunft ein»

Wie gestaltete sich das Jahr 2023 im Immobiliengeschäft? Welche Tendenzen wurden bestätigt, welche abgeschwächt? Gibt es neue Trends, die sich abzeichnen? Bernard Hurni, Geschäftsführer der Marfurt AG, blickt zurück.

Herr Hurni, wie haben Sie das Jahr 2023 erlebt?

BH: Für uns prägend waren einige Personalwechsel hier im Haus. Das bedeutet immer einiges an Aufwand und ein bisschen Akklimatisierung, auch für den Kunden. Zudem hatten wir einen Wechsel in der Leitung, was uns natürlich auch beschäftigt hat. Auf Seiten Markt war es im Verkauf insofern anspruchsvoll, als zwar die Nachfrage da war, aber man kaum Objekte finden konnte, und wenn, dann war vieles überteuert, namentlich Wohnungen. Rein umsatzmässig war das folglich für uns kein überragendes Jahr, jedenfalls im Verkauf nicht. Bei der Bewirtschaftung sind wir zufrieden. Alles in allem war es ein intensives Jahr!

«Die Nachfrage war da, aber man konnte kaum Objekte finden.»

Blieb diese Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage bei den Immobilien das ganze Jahr über bestehen?

BH: Der Zinsumschwung Mitte Jahr bewirkte, dass die Preise unter Druck kamen und etwas Vernunft einkehrte. Seit sich die Fremdkapitalzinsen im Bereich von 2% und mehr bewegen, hat eine Korrektur eingesetzt.

Konnten Sie auch neue Kunden gewinnen?

BH: Ja, und zwar erfreulicherweise genau im Bereich Verkauf. Da haben wir ein schönes Projekt an sehr guter Lage in Biel.

Wie verlief das Jahr im Wohnungsmarkt?

BH: Hier sorgte die Erhöhung der Referenzzinssätze – erstmals seit rund 20 Jahren – vielerorts für Mieterhöhungen, was in unserem Business zwar für mehr Umsatz sorgt, aber auch eine Menge Mehrarbeit generiert.

Was mir letztes Jahr besonders aufgefallen ist: Viele Stockwerkeigentümergemeinschaften haben zu kleine Erneuerungsfonds. Wenn sie dann etwa eine Heizung ersetzen müssen und die ganze Situation ins Auge gefasst wird, fehlen die Mittel für zusätzliche Massnahmen, etwa für die Isolation, die Fenster, das Dach. Die kommen dann manchmal etwas auf die Welt.

Wie siehts bei den Trends aus? Nach der Pandemie hatten Sie eine Tendenz zu mehr Wohnraum festgestellt, etwa wegen zusätzlichem Homeoffice-Bedarf?

BH: Das hat sich etwas abgeschwächt. Mehr Wohnraum ist schon gefragt, aber viele ziehts in die Peripherie. Und das scheint mir allgemein ein sehr starker Trend zu sein: Alle Agglomerationen, die eine gute ÖV-Vernetzung aufweisen (aber nur die), boomen.

Dann gibt es eine Stadtflucht?

BH: Ein bisschen. Nach wie vor gibt es auch neue Wohnformen, die in der City entstehen, nach wie vor gibt es viele Senioren, die in die Stadt zurückkehren, aber Familien ziehen eher weg von der Stadt. Das ist allerdings kein Phänomen, das nur unsere Region betrifft, das sieht man in allen Ballungsräumen.

Was mir ein bisschen Sorgen macht, ist die Situation mit den Ladenlokalen. Das ist ein sehr schwieriger Markt. Die Preise kommen unter Druck und das ist auch nicht gut fürs Stadtbild: Es gibt etwas gar viele Nailstudios und Coiffeurläden und natürlich die Grossverteiler und Ketten, welche die Mietpreise fast diktieren können. Gute Boutiquen und inhabergeführte Geschäfte werden immer rarer.

«Alles in allem war das ein intensives Jahr.»

Aber insgesamt: Die Arbeit geht Ihnen nicht aus?

BH: Überhaupt nicht. Im Gegenteil, wegen der Personalsituation und dem Fachkräftemangel mussten wir etliche Mandate kündigen. Und diese Kunden haben zum Teil Mühe, Bewirtschafter zu finden, denn die Situation sieht bei unseren Mitbewerbern nicht viel anders aus.